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Die Türken vor Wien oder in Brüssel?

Dieses Thema im Forum "Small Talk" wurde erstellt von macixus, 24. Februar 2004.

  1. Franzerl

    Franzerl New Member

    Giscard hat ihn verboten, den Schleier, da müsste der Gerhard ja nachziehen...
     
  2. Haegar

    Haegar Active Member

    vielleicht deshalb (aus dem Spiegel):

    Das alternde Deutschland ist nach Ansicht des Chefvolkswirts der Deutschen Bank, Norbert Walter, auf die Türkei angewiesen. Ein EU-Beitritt der Türkei wäre "unzweifelhaft positiv" für Deutschland und dessen künftigen Bedarf an Arbeitnehmern, sagte Walter der Düsseldorfer "Rheinischen Post".

    Deutschland sei "alt, ergrauend und schrumpfend", wohingegen die "Türken nach wie vor ein großes, munteres, sich vermehrendes Volk" seien. In diesem Gegensatz liege für Deutschland der Nutzen eines EU-Beitritts.

    "Da die Türken in kein anderes westliches Land so ausgetretene Trampelpfade haben wie nach Deutschland, ist dies ein sehr praktischer Fall von künftiger Chance auf Zuwanderung der richtigen Leute zur rechten Zeit", sagte der Chefökonom. Er bezog dies nicht nur auf hoch qualifizierte Menschen, sondern auch auf ungelernte. "Es gibt immer noch Leute, die glauben, wir bräuchten nur Überflieger, Unternehmer und reiche Leute, die zu uns wandern", sagte Walter. Das sei nicht der Fall. Wie die Vereinigten Staaten brauche Deutschland eine "Zuwanderung am unteren wie am oberen Ende".

    ..wobei mir diese Arroganz schon ein bißchen aufstößt, nach dem Motto wir brauchen die Türken für die Putzjobs...:angry:
     
  3. graphitto

    graphitto Wanderer

    macixus, mit fallen leider im Moment recht wenige PRO-Argumente ein, vielleicht kannst du mir da aushelfen?

    Abgesehen davon hat die EU m.E. wesentlich drängendere Probleme als den Beitritt der Türkei.
    Das fängt schon bei ihrem Selbstverständnis an. So z.B. definiert sich die EU:

    »Die Europäische Union ist eine in der Welt einzigartige Organisation. Sie versteht sich nicht als ein neuer Staat, der an die Stelle der bestehenden Staaten tritt. Dennoch sind ihre Befugnisse,welche die Mitgliedstaaten Schritt für Schritt an die europäische Ebene abgetreten haben, weitreichender als die jeder anderen internationalen Organisation. Somit können Fragen europäischer Tragweite auf europäischer Ebene entschieden werden.

    Europa ist ein Kontinent mit vielen unterschiedlichen Traditionen und Sprachen, aber auch mit Werten, die von allen geteilt werden. Hauptziel der Europäischen Union ist eine immer engere Zusammenarbeit zwischen den Völkern Europas, in der politische Entscheidungen so bürgernah wie möglich getroffen werden.

    Die Mitgliedstaaten haben der EU bestimmte Souverenitätsrechte übertragen. Viele nationale Gesetze, die das tägliche Leben betreffen, beruhen deshalb auf Entscheidungen, die in Brüssel getroffen werden. Dies sind keine einsamen bürokratischen Beschlüsse: Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und die Vertreter der Regierungen arbeiten bei der "europäischen Gesetzgebung" eng zusammen, Sie verhandeln, um Kompromisse zu finden, die am Ende allen nutzen.« Quelle: EIZ Niedersachsen

    Wenn ich dieses Selbstverständnis auf Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien anwende, nehmen die Fragezeichen gar kein Ende mehr.

    Sehr interessant dazu ist auch dieser Artikel.

    OK, deine Frage betrifft den Beitritt der Türkei, aber das schließt für mich auch ein, wo hinein die Türken eigentlich treten wollen.

    gruß
     
  4. Philipp_BK

    Philipp_BK New Member

    Ich ess auch gern Döner und hab türkische Freunde, aber die EU ist nicht die NATO, wo man halt noch ein paar Länder dazunimmt, weil es für die Sicherheit gut ist, sondern soll irgendwann mal ja sowas wie ein einziges Land sein.

    Und da muss dann halt der Grundtenor gleich sein und irgendwo sind auch die Grenzen Europas.

    Jedenfalls denke ich, dass unser Populismuskanzler das nur macht, um die Wählerstimmen der in D lebenden Türken zu bekommen.
    Naja, dann bekommt die SPD ahlt 13 statt 12 Prozent...
     
  5. graphitto

    graphitto Wanderer

    Recht hast du, deshalb sind meine Gründe gegen den Beitritt auch nur meine persönlichen.
    Die Gründe dafür, warum die Regierungen der alten EU-Staaten möglicherweise den Beitritt der Türkei unterstützen, dürften andere sein. Welche, ist mir bis jetzt allerdings noch nicht ganz klar. Es sei denn, es geht um strategische Spielchen in Sachen Nahost, US-Vorherrschaft, etc.

    gruß
     
  6. Macziege

    Macziege New Member

    .... solange die Humanisierung nur auf dem Papier steht,
    solange andere Staaten Türken und Kurden noch Asyl gewähren müssen ...

    sitmme ich graphitto bei!!
     
  7. Tambo

    Tambo New Member

    Als Nichtmitglieder der EU ....:D
     
  8. Franzerl

    Franzerl New Member

    Nicht nötig, die machen die Deutschen bald selbst...!
    Offshoring
     
  9. maximilian

    maximilian Active Member

    Hallo!

    Das glaube ich gar nicht. Es geht viel eher darum, einer (eigenen) Entscheidung der Türkei vorzugreifen, die sich früher oder später ernsthaft die Frage stellen wird, ob sie eher zum Westen oder zum 'Orient' gehört.

    Und diese Entscheidung würde ein schneller EU-Beitritt - dem die heutige Regierung der Türkei sofort zustimmen würde - geschickt umgehen. In einer Türkei, die der EU angehört, wären religöse Eiferer auf lange Sicht von der politischen Macht ausgeschlossen, und genau das ist doch in unser aller Interesse, oder?

    ciao, maximilian
     
  10. Hodscha

    Hodscha New Member

    Danke Maximilian :D
    Ich muss wohl mal öfters hier reinschauen, dann kann ich dir macixus direkt antworten :cool:

    Ich finde es nicht richtig immer von christlichen und muslimischen Ländern zu sprechen.
    Macixus eine Frage dazu:
    Was macht ein christliches Land aus und dazu im Gegensatz ein muslimisches?
     
  11. graphitto

    graphitto Wanderer

    @maximilian
    Also nach dem altbewährten Motto: Einbinden und damit unschädlich machen? Könnte sein.

    Dagegen steht aber Stoibers postulierte Ansicht, die jetzige türkische Regierung wäre zu islamisch für die EU. Wobei Herr Stoiber hier natürlich Wahlkampf betreibt.

    gruß
     
  12. maximilian

    maximilian Active Member

    Hallo!

    Mehr als das: Verhindern, dass sie die 'andere Seite' stärken, dürfte genauso wichtig sein! Wenn wir die Türkei permanent aus der EU ausschliessen, werden sie sich bald andere Freunde suchen, und wenn ich mir die östlichen Nachbarn da so anschaue: Iran, Irak, Afgahnaistan, ... dann halte ich es sogar für unsere Pflicht, dieses Land und seine Bewohner vor dem Schicksal zu bewahren, ein 'Gottesstaat' zu werden.

    Die Türkei, zumindest was die großen Städte angeht, ist ein weltoffenes, freies, wohlhabendes, westliches Land, dessen Bewohner ungefähr so 'muslimisch' sind, wie ich 'katholisch' bin: Das Häckchen auf der Lohnsteuerkarte sitzt an einer anderen Stelle und das war's dann auch schon.

    ciao, maximilian

    PS: Wer's nicht glauben will, soll sich mal mit verbundenen Augen nach Istanbul bringen lassen und dann sagen, ob er gerade in Rom, Paris oder Prag ist.
     
  13. Hodscha

    Hodscha New Member

    Diesen Aussagen kann ich nur zustimmen. :) und meine eigenen Erfahrungen bestätigen sie.
     
  14. Macmacfriend

    Macmacfriend Active Member

    graphitto hat, so meine ich, die besonders brisanten Punkte im Prinzip schon auf`s Tablett gebracht:

    • Kurdenfrage
    • Menschenrechtsfrage (Folter, polititische Häftlinge)
    • Nordzypern-Frage (wird aber diplomatisch nicht hochgehängt wg. Nordirland-Frage u.a)
    • Erfüllung der wirtschaftlichen Aufnahmekriterien

    Die Türkei ist sicher auf dem richtigen Weg hin zu einer Staatsform nach west- und mitteleuropäischem Vorbild. Aber eben nur auf dem Weg. Wenn sie dort "angekommen" ist, gäb`s gegen einen EU-Beitritt kein weiteres Veto. Bis dahin sollte man allerdings geduldig warten und die Innen- und Außenpolitik sowie die Entwicklung der Menschenrechte in der Türkei genau beobachten, ehe man sich übereilt und ohne Not den Unfrieden in Form eines ungefestigten Kandidaten ins Haus holt.

    Gerade vor dem Hintergrund der religiösen Verschiedenheit wäre es wünschenswert, wenn eines Tages ein EU-Beitritt der Türkei möglich wäre. An einer friedlichen Kooexistenz von Christen und Muslimen habe unter dem berühmten "gemeinsamen Dach Europa" habe ich keinen Zweifel.

    Dies wäre meines Erachtens auch eine gute Möglichkeit gegenüber den religiösen Führungen anderer islamischer Staaten sozusagen mit einem Erfolgsmodell für ein gewaltfreies Miteinander von Christen und Muslimen zu werben. Hinsichtlich religiöser Fanatisierungstendenzen in einigen asiatischen Islam-Hochburgen könnte die Außenwirkung dieses Modells möglicherweise ein nützliches Gegengewicht im Bemühen um Frieden und Verständigung zwischen den Kulturen darstellen. Ist aber mehr nur so eine vorsichtig geäußerte Hoffnung.

    Auch könnte so vermieden werden, dass die liberalere Türkei eines Tages derselben religösen Fanatisierung und Indoktrinierung anheim fällt wie Iran, der frühere Irak u. a.

    Nicht zu vernachlässigen ist die erfolgte bzw. noch bevorstehende Migration vieler Türken in die jetzigen EU-Staaten und insbesondere nach Deutschland, wo inzwischen bereits die Kindeskinder der ersten Gastarbeiter aufwachsen.

    Also, abwarten und süßen Tee trinken, wie ihn viele Türken lieben, bis dort der Laden läuft. Dann sage ich gerne "Willkommen, Türkei!".
     
  15. macixus

    macixus Hofrat & Traktorist

    Gute und wichtige Frage...

    Muss ein wenig ausholen zur "Kampfkurve":
    natürlich ist christlich hier als "christlich" zu lesen, da wir die Traditionen des Abendlandes - wenn überhaupt - eher noch als rudimentäres Selbstverständnis ausbuddeln müssen. Von irgendeiner "Pflege" ganz zu schweigen.

    Der Hauptunterschied besteht in der Auffassung von Staat und Kirche/Religion:

    - seit Luther und besonders seit der Aufklärung trennen wir "im Westen" strikt zwischen Staat und Religion.

    - genau dies tun islamistische Nationen (aktuelles Beispiel: der konservative Wächterrat im Iran) nicht. Hier ist Staat nur die Fortsetzung der Religion ins Alltags- und Gesetzesleben - etwas, das mir von Grund auf widerstrebt.

    Dies in Verbindung gebracht mit einem wiedererstandenen "Islamismus" in der Türkei lässt mir das eine oder andere Resthaar hochgehen und stünde auch an der Spitze meiner "Contra"-Argumente für Türken in Brüssel. Da wären mir Türken (weit) vor Wien erheblich lieber.
     
  16. Macmacfriend

    Macmacfriend Active Member

    @ akiem

    Ohne Visionen - und Träume - müsstest du heute noch mit dem Ochsenkarren zur Arbeit fahren. :D
     
  17. Haegar

    Haegar Active Member

    hmmm, also das mit dem kopftuch zu verbinden, also das argument verstehe ich absolut nicht, wenn die Türkei in der EU ist oder nicht, tragen hier islamische (und nicht nur türkische) Frauen weiter Kopftücher oder nicht, auch wird kein Vorurteil mehr oder weniger bestätigt. Und noch einmal: in der Türkei selbst ist es ein strittiges Thema, weil da auch teilweise verboten.
    Und die Türken nicht integrationswillig? Wieso? denke da gibt es auch gute und schlechte Beispiele, man kann nicht pauschal sagen, sie wollen sich nicht intergrieren, zum Spaß Guckst du mal hier ;)
     
  18. graphitto

    graphitto Wanderer

    @MMF
    Schön langsam wäre mir auch am liebsten.
    Allerdings muß ich zugeben, das mich maximilians These doch einigermaßen nachdenklich macht.

    @maximilian
    Deine These wäre wirklich ein ernstzunehmendes Argument pro Breitritt.
    Vor allem die Bemerkung über die Städte hab ich von mehreren Türkei-besuchern inzwischen gehört. (ich selbst war noch nicht da.)
    Allerdings scheint mir das Schreckgespenst »Gottesstaat« eben ein solches zu sein.
    Die Idee des theokratischen Staates hat m.E. seit ihrer Wiederbelebung durch Ayatollah Khomeini Ende der siebziger Jahre in erster Linie als Abgrenzungsmodell gegen den US-dominierten Westen gedient. Die sog. islamischen Staaten haben das Problem, einen eigenen politischen und wirtschaftlichen Weg ohne westlich/nördliche Vorherrschaft gehen zu wollen, dabei aber immer wieder mit den westlich/nördlichen Interessen zu kollidieren.
    Oder anders gesagt, es ist ein Trugschluß zu glauben, das Demokratie nach amerikanisch/europäischem Muster das einzig gangbare Modell weltweit sei. Leider ist es aber gerade dieser Trugschluß, aus dem westliche Regierungen des öfteren einen Anspruch definieren. »Wenn ihr nicht so leben wollt wie wir, machen wir euch platt«, um es mal platt auszudrücken.

    gruß
     
  19. Haegar

    Haegar Active Member

    ..aber genau diese Trennung gibt es in der Türkei! Atatürk, der "Gründer" der modernen Türkei beseitigte das Sultanat und das Kalifat und führte Reformen durch (Übernahme westeuropäischer Rechtssysteme, Einehe, Lateinschrift, Hut statt Fes, Einschränkung der Religion etc), um das Land "westlich" zu prägen.
    Die Türkei ist eigentlich der einzige Staat im Nahen Osten, der eine wirkliche Demokratie lebt, der Staat und Religion (noch) trennt...
     
  20. macixus

    macixus Hofrat & Traktorist

    MMF, irgendwie d'accord und dann doch wieder nicht.

    Da ist mir zuviel "Gutmenschentum" und "westliche Überheblichkeit" im Spiel, die unsere Art des demokratischen Gesellschaftsmodells zum alleinseligmachenden erklärt. maximilian hat ja schon den Finger in unsere Wunde gelegt, aber noch nicht oft genug umgedreht: auch wir haben immer noch jede Menge Leichen im Keller, die unseren Heiligenschein nicht ganz so hell erstrahlen lassen, wie wir es gerne hätten bzw. wie andere um uns herum ihn strahlen sehen sollen.
     

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