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Dieses Thema im Forum "Small Talk" wurde erstellt von macixus, 24. September 2003.

  1. macixus

    macixus Hofrat & Traktorist

    Erstmal danke für's Lesen und die ausführliche Antwort. Grundsätzlich kann ich mit deiner Sichtweise durchaus "leben". Stellenweise stelle ich fest, dass ich ein bisschen genuschelt habe und dir deswegen die Antwort zu leicht gemacht habe ;)

    Also:

    zu 1. Da habe ich mich tatsächlich ungeschickt ausgedrückt. "Machtübernahme" ist tatsächlich das falsche Wort. "Verantwortungsübernahme" wäre besser gewesen, da der einstige Machthaber gestürzt und neue Machthaber noch nicht gewählt sind. Anders gesagt: du hast Recht.

    zu 3. D'accord. Kann man so sehen.

    Meine Befürchtung ist eine andere: der US-innenpolitische Druck wächst derart an, dass es zu einem "bring our boys back home" Ruf kommt und der amerikanische Präsident diesem Druck nachgibt (Stichwort Wahlen, wobei ihn dies auch nicht zu einer 2.Amtszeit verhelfen wird). Und dann hat die UNO den Schwarzen Peter. Und die UNO kann lediglich das machen, was ihre Mitgliedsnationen gewillt sind zu tun. Wer tut dann was? Europa? Gibt's nicht. DE-FR-RU? Vielleicht. Könnte aber Schröders Kopf kosten, wenn er es nicht "sauber" begründet. Die 3 allein? Keine Mittel, kein Personal, kein Geld. Andere ins Boot holen kostet Kompromisse. Spannende Frage...

    zu 4. Stimmt. Habe ich aber nicht gesagt. Die Zurückhaltung ist keine, sondern ein genüssliches Händereiben, die Amis in der Scheiße zu wissen, in die sie sich geritten haben. Ist nur menschlich, hilft aber nicht lang. Und den Irakern schon gar nicht.

    zu 5. Auch den "zielführenden Krieg" unterstellst du mir. Geschrieben habe ich davon nichts. Allerdings bleibe ich dabei, dass die Währung, die zählt und Gewicht hat, immer noch in Soldaten und Waffen gemessen wird - zumindest bis der Irak wieder "stabil" ist. Das weiß auch die UNO.

    zu 6. Auch Sanitätsoffiziere sind Uniformträger wie Polizeibeamte auch. Ich bleibe aber dabei, dass unser Truppenkontingent (und zwar mehr als 150 Sanitäter) nur noch eine Frage von Monaten ist.

    zu 7. Wie das Dach heisst und wer sich darunter tummelt, ist im Grunde genommen wurscht. Die UNO bittet um Hilfe und die Nationen entscheiden, ob sie helfen und in welchem Umfang sie helfen. Und wer "will", "stellt" auch. Und wer die Klappe am weitesten aufreisst, stellt das größte Kontingent. War so, ist so, bleibt so.

    zu 10. Hätte man. Hat man aber nicht.

    Und? Hilft das? Nein, kein Stück. Ausser dem wohligen Gefühl, Recht gehabt zu haben. Interessiert aber den Iraker nur sehr peripher...

    zu 11. Keine Einwände bis auf den letzten Satz: es gibt kein Oberkommando der UNO. Das militärische Kommando hat immer der, der das größte Truppenkonitingent stellt. Wird selbst von Frankreich nicht bestritten.
     
  2. Duc916

    Duc916 New Member

    Auf den "bring our boys back home" Ruf einzugehen wäre der größte innenpolitische Fehler, den G.W. Bush begehen kann.
    Er würde damit zugeben, daß der die amerikanischen Soldaten in einen Krieg geführt hat der nicht zu gewinnen ist.
    Er würde damit zugeben, daß er gescheitert ist, sowohl im Kampf gegen Saddam als auch "im Kampf gegen den Terror".
    Das würde zwar der Realität entsprechen, aber seine Wiederwahl unmöglich machen und die republikanische Partei auf lange Zeit schädigen.

    Er wir jetzt versuchen das beste für sich und seine Partei aus der Situation heraus zu holen.
    Das kann eigendlich nur sein, wir kämpfen weiter und der Rest der Welt gibt uns das Geld dafür.
    Möglicherweise wird der Rest der Welt das aber grundlegend anders sehen.

    Das "genüssliches Händereiben" ist eine natürliche menschliche Schwäche in solchen Situationen.
    Unabhänig davon sollten wir aber die Realitäten sehen.
    Die USA hat diesen Krieg geführt.
    Sie hat diesen Krieg gegen berechtigte wiederstände geführt.
    Ist es dann nicht nur zu verständlich, daß der Rest der Welt sagt "wir helfen euch gerne, aber nur wenn wir die Möglichkeit haben bei dieser Hilfe mitzubestimmen"?


    Ich unterstelle dir garnichts, ich stelle nur eine Frage.

    Unabhänig davon, wer welche Uniform trägt, schau dir mal den Bundeshaushalt an, und sag mir dann wo da noch die Möglichkeit besteht eine solche Aktion zu finanzieren.

    Ja, aber die UNO besitze die politische Weisungsbefugnis, und nicht die Nation die die "Klappe am weitesten aufreißt".

    Jeder fühlt sich wohl, wenn er Recht hat.
    Aber wie auch immer.
    Den Irakern von außen zu oktruieren was sie denken sollen kann es aber auch nicht sein.
    Die Iraker möchten ihren Staat gerne alleine organisieren, wober mir durchaus bewußt ist, daß es "die Iraker" nicht gibt.
    Vielleicht wird es möglich sein irgendwann einen Staat nach föderalistischem Muster zu etablieren.
    In naher Zukunft wird der Staat aber unter der UNO stehen müssen.
    Oder aber der Irak (übrigens ein willkürliches Konstrukt der Kolonialmächte) wird in einzelne Teilstaaten aufgeteilt, in denen die vorherrschende Volksgruppe die Macht hat .

    Die Methode der USA, "hier herrscht jetzt Demokratie und wenn ihr nicht wollt schlagen wir euch den Schädel ein" funktioniert zumindest nicht.

    Stimmt, daß politische "Oberkommando" ist getrennt vom militärischen.
    Nur im Falle der UNO ist das politische dem militärischem weisungsbefugt, und nicht umgekehrt.
     
  3. macixus

    macixus Hofrat & Traktorist

    Weitgehend einverstanden, Duc.

    Zu deinem Absatz 1: genau deswegen wird er nicht wiedergewählt. Und natürlich und mit Recht sieht das der Rest der Welt anders. ABER: auch uns muss der Kittel näher sein als das Hemd. Wir können kein Interesse daran haben, Irak zum "Hort" aller Fundamentalisten zu machen.

    Zu deinem Absatz 2: klar sollen die, die sich engagieren und bezahlen auch mitbestimmen. Inwieweit das gelingt, werden die nächsten Wochen zeigen. "Dirigent" bleiben die USA. Das mag uns gefallen oder nicht, aber Supermacht ist immer noch Amerika und nicht "Europa" oder Russland oder China.

    Bundeshaushalt: wir haben weder für Ex-Jugoslawien noch für Afghanistan Geld und zahlen es trotzdem - richtigerweise. Und genauso werden wir für den Irak Geld locker machen - richtigerweise. Es ist dort besser ausgegeben als auf eine "Irakisierung" des Nahen Ostens zu warten.

    Politische Weisungsbefugnis der UNO: bleib bei deinem Glauben. Die Realität ist, dass jedes Mandat vor der Entscheidung von den beteiligten Nationen "abgekaspert" wird - bis ins Detail. Erst dann erfolgt das Mandat. Und das wird bei einem "Irak"-Mandat nicht anders gemacht.

    Klar möchten die Iraker ihren Staat allein organisieren. Sie können es aber unter den gegebenen Umständen (noch) nicht. Deswegen müssen die Umstände geschaffen werden. Und das geht derzeit und die nächsten Monate nur von "aussen". Klar funktioniert die US-Methode nicht. Die EU-Methode (wenn es denn eine geben würde - Stichwort warme Luft weiter oben-) funktioniert aber erst recht nicht.

    Weisungsbefugnis: der Primat der Politik gilt bei allen Streitkräften westlicher Demokratien. Das ändert aber nichts daran, dass Auftrag und Mittel übereinstimmen müssen. Und die "Mittel" haben in erster und fast auschliesslicher Weise die Amerikaner.
     
  4. Duc916

    Duc916 New Member

    Das hast du alles sehr schön gesagt.
    Der eigendlichen Frage bist du aber ausgewichen.
    Wollen wir (die Europäer) es akzeptieren, daß die USA eine neue Ordnung im Nahen Osten bestimmt, oder wollen wir mitreden?
    Sicherlich kann Europa, selbst wenn es einig wäre mit dem USA militärisch nicht mithalten.
    Das ist hier aber auch garnicht die Frage.
    Sicherlich kann die USA in jedes beliebige Land (außer vielleicht China und Russland) einmarschieren und es ins Mittelalter zurück
    bomben, nur was würde das helfen.
    Die USA, als einzig verbliebene Supermacht muß auch lernen, daß ihr Einfluß Grenzen hat.
    Die Probleme in der Welt, auch die des Terrorismus, können nicht militärisch gelöst werden.
    Nur wenn ein Ausgleich zwischen den einzelnen Weltanschaungen und insbesondere auch den Religionen geschaffen wird können wir auch den Terrorismus besiegen.
    Und hier kann Europa eine tragende Rolle spielen.
    (insbesondere Frankreich und Belgien sollten aus diesem Grund ihre nervigen retro kolonialen Ambitionen fallen lassen)
    Europas Stärke liegt in der Zukunft in der Diplomatie nicht in der Kriegsführung.

    Wenn du jetzt die Frage stellst "Und was in Gottes Namen hat das jetzt mit der konkreten Situation im Irak zu tun?"
    dann kommt hier die Antwort:
    auf kurze Sicht wenig
    auf lange Sicht extrem viel
    Wir müssen einfach aufhören unsere Sicht der Welt auf Gedeih und Verderb in alle Ecken der Welt zu exportieren, und anfangen zu akzeptieren, daß es auch andere Anschauungen gibt.
    Der Ausgleich zwischen diesen ist nur durch Diplomatie zu schaffen, nicht durch Bomben!
     
  5. macixus

    macixus Hofrat & Traktorist

    Duc, du stellst hier die alte "Todd"- bzw. "Kagan"-Frage*. Todd würde deiner Auffassung zustimmen, Kagan nicht.

    Ich stehe genau dazwischen - beides hat Vor- und Nachteile. Solange aber die französische Politik den alten de Gaulle wiederauferstehen lässt, der Europa als "Gegenmacht" zur USA sieht (selbstverständlich unter französischer Führung, hihihi), bin ich nicht dabei. Das wird nichts und bewirkt das Gegenteil von dem, was an guter Absicht dahinter steckt.

    Und ganz am Rande bemerkt: solange Europa nicht über die Mittel verfügt, wohlfeile Wünsche bei Bedarf auch wirkungsvoll durchzusetzen (weder politisch noch wirtschaftlich noch militärisch) bleibt es bei Worten ohne Taten.

    *Emmanuel Todd: Weltmacht USA - ein Nachruf
    *Robert Kagan: Macht und Ohnmacht - Amerika und Europa in der neuen Weltordnung
     

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